Rede auf der Greifswalder Mahnwache „Russland macht süchtig und kalt“ am 24. September 2022

8. Mahnwache in Greifswald für Solidarität mit der Ukraine

Das Thema Ukraine/Russland ist ein sehr komplexes und umstrittenes Thema in Deutschland. So gut wie jedes Wort erzürnt irgendjemanden. Und daher hielten sich die Menschen in Deutschland bislang auch weitestgehend zurück.

Gegen den Irakkrieg gingen hunderttausende auf die Straße. Aber gegen Putins Krieg sieht es leider anders aus. Es ist eine traurige Wahrheit, dass in Deutschland die Sanktionspolitik schärfer kritisiert wird als das verbrecherische Vorgehen Russlands. Es ist eigentlich zum Schämen. Aber es ist so normal, dass sich niemand mehr darüber wundert. Außer die Ukrainer:innen, die hierher gekommen seid, weil euer Land jeden einzelnen Tag seit 8 Monaten zerschossen wird. Ihr stellt jeden Monat erneut fest, dass es die Deutschen erstaunlich wenig interessiert. Und ich habe mich jedes mal dafür geschämt.

Seit einigen Wochen sind Deutschlands Straßen und Plätze wieder voll. Aber nicht um Putins Russland und den russischen Angriffskrieg zu kritisieren. Nein. Weil man die Sanktionen gegen Russland beendet haben will! Kürzlich etwa in Lubmin und in Stralsund, wo sogar der dortige Oberbürgermeister zur Demonstration aufrief. An dieser Stelle aber Dank an unseren Greifswalder OB Fassbinder, der ja öfters hier an unseren Mahnwachen teilnahm.

Es ist natürlich auch ein berechtigtes Anliegen, dass die Energiekosten nicht Existenzen ruinieren und dass die Regierung etwas zur Sicherung von Betrieben und Familien machen muss. Das seh ich selbstverständlich genauso.

Aber ich würde niemals solch einen Stumpfsinn wie die Öffnung von Nord Stream II fordern, denn das ist keine Lösung. Wer Nord Stream II öffnen will, wie bspw. die rechtsextremistische Identitäre Bewegung, stellt sich bewusst oder unbewusst auf Putins Seite und verbreitet seine Kriegslügen.

Denn es gäbe genug funktionierende Gasleitungen. Es braucht die zweite Nord Stream Leitung nicht und noch nie, zu keinem Zeitpunkt, hätte es sie gebraucht! Bereits lange vor Beginn des Kriegs gegen die Ukraine war das klar. Das hat sogar das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie aus dem Jahr 2018 nachgewiesen und das Ergebnis dieser Studie war allen Entscheidungsträger:innen in Deutschland bekannt!

Nord Stream II ist umweltpolitisch falsch, da es für das Ökosystem Ostsee massive Schäden bedeutet, und Nord Stream II ist geopolitisch falsch. Und schon immer falsch gewesen, da es ausschließlich den Zweck hatte, die ukrainischen Gaspipelines zu umgehen und Deutschland noch abhängiger von russischem Erdgas zu machen.

Erdgas ist keine Energieform der Zukunft, sondern verzögert die Energiewende hin zu sauberer Energieerzeugung und ist an sich bereits klimaschädlich. Neuste Messungen ergeben, dass sogar noch mehr Methan bei der Förderung entweicht als bislang angenommen.

Am Ostseestrand wurde Giftmüll aus dem Pipelinebau angespült, der Boden der Ostsee wurde aufgewühlt, seltene Tierarten wurden in ihrem Habitat gestört. Das Genehmigungsverfahren war fehlerhaft, wichtige Dokumente wurden nicht berücksichtigt. Und dennoch wurde der Bau vorangetrieben. Wie konnte das geschehen?

Obwohl all die Jahre bekannt war, dass es keine Nord Stream II Leitung benötigt, hat Russland ein Beeinflussungsnetzwerk gesponnen und insbesondere bei SPD und CDU Politiker:innen eingebunden, um Nord Stream II politisch durchzusetzen. Und das hatte erschreckenderweise sogar funktioniert! Das geostrategische Ziel Russlands war, die Ukraine zu umgehen und Deutschland noch abhängiger von russischem Erdgas zu machen.

Es ist auch erstaunlich, wie gut SED-Kader aus der DDR eingebunden waren. Mittlerweile stehen einige dieser Personen, die jahrelang ein Geflecht zur Durchsetzung von Nord Stream II gesponnen haben, auch auf Sanktionslisten. Und das ist gut so.

Unsere Partei, die PARTEI MENSCH UMWELT TIERSCHUTZ, war übrigens die einzige Partei, die sich stets auch gegen das Sponsoringverhalten der Nord Stream AG aussprach. Denn die erkaufte sich das Wohlwollen in der Region durch Geldgeschenke, so finanzierten sie das Ladebower Klärwerk oder Schulausstattungen. Wir sammelten sogar gemeinsam mit Fridays For Future Geld, sodass die Stadt das Geld von Nord Stream ablehnen konnte, aber politisch war das leider nicht mehrheitsfähig am Ende.

Nord Stream II war ein Teil der Vorbereitung auf den Krieg, Nord Stream II war ein Wirtschaftskriegsinstrument im Krieg gegen die Ukraine – und Deutschland sollte zum Mittäter gemacht werden!

Ich freue mich über jede Partei und jede:n Politiker:in, die eine Kehrtwende eingelegt haben und sich nun klar gegen Nord Stream stellen und genauso freue ich mich über alle Bemühungen, komplett von fossilen Energieträgern wegzukommen.

Die Zukunft liegt in erneuerbaren, sauberen Energien und in einer freien, souveränen Ukraine! Slava Ukraini.

Trauer um Malte

In Münster starb der 25-jährige Malte nach einer unfassbaren Gewalttat während des dortigen CSD. Malte wollte Frauen helfen, die homophob angegangen wurden. Der Täter wandte sich daraufhin Malte zu, schlug ihn zwei mal brutal ins Gesicht, sodass er das Bewusstsein verlor und fiel. An den Folgen des Aufpralls verstarb Malte später im Krankenhaus.

Täglich sind Menschen Gewalt und Hass ausgesetzt, weil sie nicht der „Norm“ entsprechen. Trans* Personen sind besonders gefährdet und gegen sie richten sich maßgeblich organisierte Hetzkampagnen. Der Grund für diese Gewalttat und viele weitere, die sich täglich weltweit ereignen, ist vor allem rechte Propaganda, die weite Teile der Bevölkerung erfasst. Auch harmlos erscheinende Vorträge, die pseudowissenschaftlich die Existenz von zwei Geschlechtern „beweisen“ wollen, oder hasserfüllte AfD-Redebeiträge in den Parlamenten tragen zum gesellschaftlichen Klima bei, das zu tödlicher Gewalt führt! Wir sagen NEIN zu Homo- und Transfeindlichkeit und werden weiterhin unsere Stimmen dagegen erheben.

Wir trauern um Malte und drücken unser Mitgefühl seinen Angehörigen und Freund:innen aus. Mit Malte verlieren wir alle einen Menschen mit Zivilcourage und Einsatz für Liebe und Respekt. Er wird uns fehlen und uns mahnen, den friedlichen Kampf um Menschenrechte und Akzeptanz weiter zu führen.