Wissenschaft vs. Freiheit?

Die Coronaprotestierenden haben keine Antwort auf die Frage, wie unsere Gesellschaft Individualität und Solidarität, Wissenschaftlichkeit und Freiheit garantieren kann. Aber sie ziehen Radikale an und es kann zu einer Gefahr für unsere Demokratie anwachsen. Ein Ansatz zur historisch-vergleichenden Einordnung:

Mit den Coronaprotesten ist ein längst erledigt geglaubter Aufprall zweier Welten wieder zu erleben: auf der einen Seite die Wissenschaften, auf der anderen Seite den wissenschaftlichen Common Sense bei Hygienevorgaben und Impfungen ablehnende Protestierende. Und zunehmend dabei: Mordaufrufe, Neonazis und Eskalation.

Die wöchentlichen Demonstrationen gegen die Coronapolitik sind augenscheinlich rein tagespolitisch, aber aus historischer Perspektive das öffentliche Gesicht einer alten, im Verborgenen stets schwelenden Unvereinbarkeit zwischen den Zumutungen der Wissenschaft und dem mittlerweile so sehr von ihr abhängigen Individuum, das sich bis zum grundsätzlichen Misstrauen und offener Ablehnung der medizinischen Empfehlungen steigert.

Doch darf jede Sorge oder Kritik bezüglich der Pandemiepolitik zur Wissenschaftsfeindlichkeit erklärt werden? Eine historisch-politische Einordnung und differenzierte Bewertung der aktuellen Coronaproteste ist die Voraussetzung, um die Debatte zu versachlichen, Verunsicherungen einzufangen und auch mutige Schritte umsetzen zu können.

Die antisemitische Historie der Wissenschaftsfeindlichkeit

Die Impfgegnerschaft hat eine lange Vorgeschichte, einige Parallelen und ein entsetzliches Ende. Die sogenannte Schulmedizin wurde Ende des 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts als jüdisch angesehen und insbesondere wurde antisemitische Stimmung gegen das Impfen gemacht. Gleichsam wurde nicht nur die Medizin bekämpft, sondern auch modern-abstrakte Kunst als „entartet“ und jüdisch deklariert, wurden Bücher verbrannt sowie ganze Wissenschaften, wie etwa die Physik, negiert. So strebten die Nationalsozialisten danach, eine „Deutsche Physik“ zu etablieren, um einen Gegenentwurf zur insbesondere von Einstein geprägten universitären Physik zu schaffen.

Obwohl rund ein Viertel der deutschen Nobelpreise an jüdischstämmige Wissenschaftler:innen ging und sich die weltweite Wissenschaftswelt weitgehend einig war, endete die zur Rassenfrage erklärte Feindschaft im Tod von Millionen unschuldigen Menschen.

Denn die Nationalsozialisten teilten die Geschicke der Welt manichäisch auf, erklärten die gesellschaftliche Fortentwicklung an sich als jüdisch und setzten dagegen die Wiedereinsetzung einer allein durch Volk und Natur mythisch selbst erzeugten Gesellschaftsordnung; einen fabulierten vorjüdischen Zustand, als befreit von allen modernen Ungewissheiten und Uneindeutigkeiten imaginiert.

Kunst und Wissenschaftsprozesse kann man jedoch auf Dauer nicht politisch verbiegen. Deshalb stellten der mittelalterliche Antijudaismus und die antisemitischen Reflexe auch gar keine machtpolitischen Perspektiven in einer modernen Welt dar. Daher steigerten sich Antimodernismus, Antiintellektualismus und Antiszientismus stattdessen zum biologistisch hergeleiteten eliminatorischen Antisemitismus, der Auslöschung des jüdischen Volkes.

Antisemitismus war und ist das feigste und niederträchtigste Gefecht mit den Überforderungen der Moderne, die vor allem aus einer fortwährenden Kränkung des auf Identität, Glaube und Macht gestützten Subjekts besteht. Nun wird der sich mündig, frei und vital wähnende Mensch ein erneutes Mal gekränkt; er hat sich Hygienevorgaben zu beugen und fühlt sich nicht mehr als Herr seines Körpers, seines Wissens und seines Bauchgefühls.

Doch ist durch diese historische Ineinssetzung von Phänomenen der Moderne und als jüdisch deklarierten angeblichen Lenkern der Moderne nun jeder Zweifel und jede Kritik etwa an der Relativitätstheorie oder an Impfungen im Jahr 2022 gleichsam faschistisch oder antisemitisch?

Nein. Wissenschaftsfeindlichkeit gab und gibt es vielgestaltig. So bekämpfte beispielsweise auch Stalin wesentliche biologische Erkenntnisse und wollte mit aller Macht eine eigene, alternative Genetik durchsetzen, die eher der Sowjetideologie entsprach – aber weniger den Wissenschaften. Aber zum Gesamtbild gehört allerdings dazu, dass es auch unter Stalin gezielte Gräueltaten gegen jüdische Intellektuelle und Mediziner:innen gab, da das Misstrauen ihnen in besonderem Maße galt.

Zweifel und Misstrauen sind aber nicht unwissenschaftlich – im Gegenteil ist es Grundlage jeder Wissenschaft. Ja, ohne beständige Selbstzweifel und institutionalisierte, systeminhärente Ausrichtung an Widerlegbarkeit und Korrektur ist Wissenschaft gar keine Wissenschaft. Der Wissenschaftstheoretiker Karl Popper setzte dieses epistemologische Selbstverständnis, dessen Gültigkeit unbestritten ist. Genau dies ist auch die Basis des wissenschaftlichen Common Sense und der Kern von Wissenschaftlichkeit.

Antimodernismus als ideologische Grundlage

Wissenschaftsfeindlichkeit ist also das Gegenteil von Zweifel und Skepsis. Sie ist die Vorstellung, dass alle Probleme, die auch in der modernen Welt fortbestehen, die genuinen Probleme der Moderne seien. Statt sich aber der Analyse von Kapitalismus, Herrschaft und Ausbeutung anzunehmen, wird eine romantisierte Welt frei von Ratio, Analyse und Abstraktion entworfen. Denn diese Triebkräfte der Aufklärung werden für die Entfremdung des Menschen von der Natur und von sich selbst verantwortlich gemacht.

Der Weg zu organischen Gesellschaftsentwürfen, wo das Gesunde, Reine und Starke verabsolutiert wird, ist dann nicht weit. Die Freiheit des Erkrankten, Unangepassten und Schwachen gilt dann jedoch nichts mehr. Und hier ist auch die entscheidende Gemeinsamkeit zwischen historischer Wissenschafts- und Modernefeindlichkeit und den aktuellen Coronaprotesten.

Es ist jedoch wichtig, den Bezug zum Nationalsozialismus nicht überzustrapazieren. Dies kann innerhalb der Proteste als Beleg dafür fungieren, dass die gesamte Kritik an ihnen keine Grundlage hätte. Auch sind die Teilnehmenden aus zu unterschiedlichen sozialen Kontexten entstammend, um grobe Kategorien zu verwenden. Eine Anthroposophin, die die „Schulmedizin“ ablehnt, hat mit einem AfDler, der zu Pandemiebeginn nicht genug staatliche Interventionen fordern konnte und nun die Maßnahmen am radikalsten ablehnt, wenig gemeinsam.

Umso wichtiger ist es, die viel grundlegendere historische Traditionslinie, die global vorhanden und analytisch erklärbar ist, aufzuzeigen. Es ist die Vorstellung, dass man selbst eine reine Natur hätte und alle Schwierigkeiten, Ängste, Zweifel, Hässliches, Fehlerhaftes nur unnatürliche Fremdeinwirkungen wären – man selbst will sich durch die Externalisierung freisprechen. Verantwortung ablegen, die Last von sich nehmen, die Ängste verdinglichen, um sie zu überwinden.

Sind Coronaproteste Einsatz für die Freiheit?

Sind aber die aktuellen impfkritischen Demonstrationen vielleicht nicht einfach nur dem Verlangen nach Freiheit und Selbstbestimmung zuzuordnen? Im Zweifel für die Freiheit, ist doch eine gesellschaftliche Übereinkunft, der sich die als „westliche Werte“ bekannte DNA unserer Gesellschaft verschrieben hat.

Eine kritische Öffentlichkeit, die nicht alles hinnimmt, wenn kollektiver Druck oder gar exekutiver Zwang droht, ist doch eine Errungenschaft unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung. Und kann eine staatliche Impfpflicht nicht auch dieser Grundordnung widersprechen und mithin Proteste und Aufbegehren legitimieren?

An dieser Stelle wären zwei wesentliche Aspekte zu beachten:

Zum Einen muss geschaut werden, wer die Hauptorganisator:innen der Proteste sind und zum Anderen, wofür die Teilnehmenden stehen. Also, aus welcher Richtung kommt der Kern des Protests und setzt man sich für Freiheit, Vernunft und Werte ein – oder ist eine Prägung durch Ideologie und Rücksichtslosigkeit vorherrschend?

Natürlich ist jeder Protest und ist jede Demonstration nicht einheitlich und es treffen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppierungen aufeinander. Im Jahr 2020 waren die Coronademos eine Mischung aus fast allen denkbaren Milieus. Dennoch fielen insbesondere Anhänger:innen des QAnon-Kults auf, dessen Ziel die Wiederbelebung mittelalterlicher antisemitischer Verschwörungserzählungen ist.

Und auch unabhängig von dieser bizarren und zugleich gefährlichen Gruppe gab es zahlreiche Verharmlosungen des Holocausts sowie reichsbürgerliche Propaganda. Die Flagge, die die Nationalsozialisten in ihren ersten Regierungsjahren wiedereinsetzten, dominierten die Protestzüge. Denn das Hakenkreuz ist ja bekanntlich verboten.

Und wer mit all dem nichts zu tun hatte und nichts zu tun haben wollte – auf den Coronademos konnte man sich dennoch sowohl mit SARS-CoV-2 als auch mit dem Virus des Antisemitismus und Faschismus infizieren.

Das Versagen der Gesellschaft

Dies ist aber auch Zeichen eines staatlichen und gesellschaftlichen Versagens. Denn nicht wenige Teilnehmende sind weder politisch radikal, noch dezidiert wissenschaftsfeindlich. In Zeiten, in denen jeder Mensch Medikamente nimmt und dankbar für medizinische Hilfe im Krankheitsfall ist, in denen sogar die meisten rechten Organisationen betonen, nur die grundgesetzlichen Rechte und die Demokratie verteidigen zu wollen, ist es auch abwegig, pauschal irrationale oder per se antidemokratische Haltungen anzunehmen. Vielmehr sind es oft unterschiedliche Verstehenshorizonte und moralische Grundeinstellungen, die den Unterschied machen.

Wer hingegen die Demokratie nur deshalb zu verteidigen betont, weil die Ampelkoalition eine „Diktatur“ sei, steht mit Sicherheit nicht auf dem Boden unserer Verfassung. Wer medizinischen Rat erst dann befolgt, wenn die Lunge bereits durch Covid-19 angegriffen ist, richtet sich gewiss nicht nach grundlegenden Erkenntnissen der Wissenschaft.

Und dennoch und gerade deshalb ist das politische und gesamtgesellschaftliche Versagen, dass viele Bürger:innen mit ihrer Unzufriedenheit, mit ihren Sorgen, Fragen und Nöten immer häufiger auf fragwürdige Telegramkanäle stoßen, Fake News teilen, Seite an Seite mit Neonazis demonstrieren, an der Demokratie und den Wissenschaften zweifeln – statt kompetente Auskünfte einzuholen, die öffentliche Debatte sachlich mitzugestalten, konstruktiven Protest zu organisieren.

Diese Entwicklung kann nicht per se einseitig denjenigen Menschen angelastet werden, die angesichts der wirtschaftlichen und psychischen Dimension der Coronamaßnahmen verzweifelte, teils nachvollziehbare und durchaus auch falsche Entscheidungen treffen. Vielmehr sind die zivilgesellschaftlichen Kräfte gefordert, ihre eingeforderte Solidarität noch stärker selbst auszuweiten.

Wo bleibt die Energie der Nachbarschaftshilfen, die während der ersten Welle die Menschen abholte und stütze? Wo bleiben die solidarischen Kundgebungen für die wirtschaftlich und sozial Betroffenen der Pandemie, etwa im kulturellen Bereich, in der Pflege oder in Entwicklungsländern? Wo bleiben die wirkmächtigen Forderungen nach besserer Ausstattung von Kindergärten, Schulen, Heimen und Krankenhäusern? Und wo bleiben die Politiker:innen, die sich all dieser Anliegen tatkräftig annehmen?

Wir müssen nicht hinnehmen und zuschauen, wenn sich Bürger:innen radikalen Demonstrationen anschließen oder insgeheim mit ihnen sympathisieren. Wir können diese Entwicklung kritisieren, sowohl in Bezug auf die Umstände, als auch auf die Ursachen dieser Umstände. Ansonsten könnte die Entwicklung eines Tages soweit in die falsche Richtung fortgeschritten sein, dass die Gesellschaft als Ganzes gar keine echten Handlungsoptionen mehr hat und vor Protest, Extremismus, Unvernunft und Gewalt kapituliert.

Die Gefahr der Radikalisierung und Instrumentalisierung durch Rechtsextreme

Denn die aktuellen Coronaproteste im Winter 2021/22 stellen nochmal eine neue Dimension dar: Während die AfD zuvor dazu neigte, eigenständige Demonstrationen durchzuführen und die Kräfte rechts der AfD zu organisationsschwach waren, bilden nun sämtliche Strömungen gemeinsame Aufmärsche. Besonders in den neuen Bundesländern stehen die Proteste auf organisatorischen Ressourcen des rechtsradikalen, zuweilen kriminell-verfassungsfeindlichen, Bereichs.

Und distanzierten sich die Coronaprotestierende 2020 noch ostentativ von „den Rechten“ und relativierte man eilig die extremistische Symbolik, so befinden sich die rhetorischen Gräben nun nicht mehr innerhalb der verschiedensten gesellschaftlichen Interessen und Gruppen, sondern existieren unüberwindbare tektonische Verwerfungen zwischen den Protestierenden auf der einen Seite und den „Etablierten“ auf der anderen Seite. Und zu letzteren gehören viele Vertreter:innen von sowohl Wissenschaft, als auch Politik und Medien.

Die Forderung nach einer Impfpflicht ist bereits eine Kapitulation vor Protest und Unvernunft, die nicht nötig wäre, wenn die Impfquote im deutschsprachigen Raum nicht so erschreckend niedrig wäre. Und die Debatte um eine Impfpflicht heizt wiederum die Proteste an.

Hierbei wird bewusst eine Fusion aller Coronaproteste vorangetrieben, von der sich alle Beteiligten Vorteile versprechen. Die ursprünglichen Protestierenden – neben allgemeinen Gegner:innen der angeordneten Hygienemaßnahmen, vor allem auch solche aus dem Spektrum der Querfront, Esoterik, alternativen Heilmedizin, Anthroposophie und Verschwörungswelt sowie vereinzelt radikale Libertäre – sind mittlerweile die Minderheit auf ihren eigenen Veranstaltungen.

Es dominiert nun eher das typische AfD-/NPD-/Pegida-Milieu, welches aufputschende Wortwahl, schrille Tonlage und vor allem Radikalität und Gewaltneigung vorantreibt. Es vergeht mittlerweile kein Tag mehr ohne Mordaufrufe.

Mittelfristig wächst eine Gefahr für die Demokratie

Doch die Größenordnungen sind auch klar: während es mit einigen zehntausend Teilnehmenden die größten Demonstrationen seit langer Zeit sind, lassen sich wesentlich mehr Menschen impfen. Denn jeden einzelnen Tag lassen sich derzeit rund eine Million Menschen impfen, insgesamt mehr als 60 Millionen allein in Deutschland.

Im Gegensatz zu früheren gesellschaftlichen Konflikten haben wir es also nicht mit einer untätig-passiven Mehrheit zu tun, sondern die Menschen entscheiden sich gezielt und bewusst dafür, dass ihnen ihre eigene und die Gesundheit ihrer Mitmenschen wichtig ist.

Dieses ungleiche Verhältnis korreliert jedoch mit der Radikalität der Proteste auf den Straßen. In einigen Ländern schlug sie bereits in offene Gewalt um. In Deutschland kündigt sich die Radikalisierung dadurch an, dass man dieselben Kräfte, die nach 2015 Proteste gegen Geflüchtete durchführten, wieder an vorderster Front sieht.

Obwohl sich die Gegner:innen der Impf- und Hygienemaßnahmen weit über das rechtsradikale Milieu hinaus erstrecken und zugleich das Rechtsaußenspektrum ursprünglich uneinig war in der Haltung gegenüber Corona, ist eines deutlich: das Protestpotenzial wurde erkannt und es wird für die Verbreitung ihrer eigenen Agenda verwendet.

Hierfür werden bewusst Fake News verbreitet oder zumindest gewisse Ungewissheiten verzerrt dargestellt, um den politischen Feind zu schwächen, eine parteipolitische Lücke zu schließen und letztlich Anschlussfähigkeit rechtsradikaler Ideologien herzustellen.

Die Wandlungsfähigkeit von rechtspopulistischen Strömungen ist ihnen inhärent; sie nehmen Vorurteile und Ängste in der Bevölkerung auf, fungieren dann als Verstärker dieser Emotionen und wachsen daran. Rechtsextremisten wiederum suchen aktiv die Nähe dieser leider erfolgreichen Strategie, da ihr Nischendasein in Kleinstparteien und Randgruppierungen dem Anspruch, für „das Volk“ zu sprechen zuwiderläuft.

Im schlimmsten Falle verrutschen dann die Machtverhältnisse der ganzen Republik ins Antidemokratische. Genau diese Tendenzen sind aktuell zu beobachten: die extremen Ränder mischen sich unter populistische Bewegungen und thematische Proteste und arglose Bürger:innen und mehrere Protestgründe sammeln sich über die Jahre hinweg an. Das Vorgehen dahinter wird als Metapolitik beschrieben und ist dem eigentlichen Ziel untergeordnet: letztlich die Machtübernahme und zwar ohne die Zermürbung durch die politischen Instanzen.

Nun könnte man darauf bestehen, dass weder Impfgegnerschaft noch die zahlenmäßig immer noch übersichtlichen Demonstrierenden auch nur entfernt eine Gefahr für die Demokratie seien. Diese Sichtweise blendet die dynamische Gemengelage aus, in der diese Proteste zu verorten sind. Zum Einen wird Leben und Gesundheit von Unbeteiligten gefährdet, was das Unverständnis für die Anliegen ins Unermessliche steigern kann. Und dies führt zu strikteren Maßnahmen zur Pandemieeindämmung und somit zu noch stärkerer Protesthaltung als Gegenreaktion.

Und hier kommen nun die personellen Verflechtungen zum Tragen, da sich am rechten Rand zahlreiche Gewalttätige befinden, teilweise massiv bewaffnet und darauf wartend, diese Waffen einzusetzen. Aber auch unter den nichtextremistischen Coronaprotestierenden herrscht bereits eine hochaggressive Grundstimmung; in Brandenburg tötete ein Mann seine gesamte Familie, nachdem seine Impfpassfälschungen erkannt wurden. Ein Tankstellenmitarbeiter wurde getötet, nachdem er auf die Maskenpflicht hinwies. Es gibt etliche Mordaufrufe in den einschlägigen Telegramkanälen und es gibt weitere Beispiele brutalster Gewalt, die von radikalisierten Coronamaßnahmengegner:innen ausgeht.

Jederzeit kann es zu größeren Gewaltausbrüchen kommen und jederzeit können hier die zahlreichen hochbewaffneten Verfassungsfeinde am rechten Rand oder psychisch labile Einzeltäter:innen zur Tat schreiten.

Und selbst wenn all dies ausbleibt; so nährt auch die punktuelle und nicht intendierte Kooperation mit rechten Kräften deren Strategie, das Vertrauen in die Demokratie zu schwächen. Wenn sich Wissenschaftsskepsis, Fakenews-Anfälligkeit, Populismus und unsolidarische Grundstimmung mit dezidierter Demokratiefeindlichkeit vermengen, kann sich mittelfristig eine Entzweiung der Gesellschaft entwickeln, die nachhaltig fortbesteht, sich selbst nährt und am Ende keinen anderen Ausweg aus der empfundenen oder tatsächlichen Ablehnung der Mehrheitsgesellschaft weiß, als zur Gewalt zu greifen.

Faschismus als Kampf gegen Vernunft, Moderne und Solidarität

Wenn die vielfältigen, kleinen und natürlichen Konfliktlinien einer jeden Gesellschaft überdeckt werden von einem großen Bruch zwischen A) nach innerer Homogenität strebenden Gegnerschaft zur B) pluralistischen und weltoffenen, allein den Menschenrechten und der Vernunft verpflichteten, demokratischen Gesellschaft, dann kann dieser Bruch in der Herrschaft von A), der Machtübernahme durch den Faschismus, enden.

Die Geschichte zeigt, dass eine solch Entwicklung möglich ist: die Überwindung einer angeblichen „Spaltung“ des imaginierten Volkskörpers, deren Ursache einer als volksfremd deklarierten Einflusswirkung zugeschrieben wird. Hierbei wird Entfremdung des Menschen zur Haupterzählung, aber nicht durch Kapital und Arbeit, sondern durch Vorgänge, die den Menschen von der Natur entfernen – unnatürlich, künstlich, unorganisch, giftig, die Moderne insgesamt, als Zerstörerin des natürlich Starken, intuitiv Richtigen und der spirituell erfahrbaren Einheit von Einzelnem, Gruppe und Ganzem. Die Natur aber ist nicht per se rein, richtig, robust. Sie kann genauso gut unseren moralischen Ansprüchen nicht genügen, gefährlich oder fehlerhaft sein.

Diese Haupterzählung der Moderne als giftiger Gegenpart zur reinen Natur ist auch die ideologische Klammer zwischen Impfgegnerschaft im historischen Kontext und den heutigen Coronaprotesten. Diese gerieren sich antielitär, gegen „die da oben“, aber verharren innerhalb kapitalistischer Denkmuster, indem sie nicht die globalen Ungerechtigkeiten während der Pandemie thematisieren und auch selten die am pandemiebedingten Limit Arbeitenden – sondern sich vornehmlich um ihre eigene Interessenssphären drehen. Das große Wort „Freiheit“ wird skandiert, meint aber nicht die Freiheit Aller, ein Leben in Gesundheit, Würde und Solidarität zu führen.

Es ist stattdessen auf die eigene Freiheit konzentriert, die sich durch die Abwesenheit von Maske, Abstand und mRNA definiert. Und dies erklärt auch die starke Beteiligung radikaler Libertärer bei den Demonstrationen: Impfgegnerschaft als Vehikel der eigenen proprietaristischen Ideologie, die tief im Antidemokratischen und Elitaristischen zu verorten ist. Der historische Faschismus ging entsprechend auch eine Allianz mit dem Kapital ein und sog die wirtschaftsliberale Klientel weitestgehend in sich auf.

Und genauso wie Anfang des 20. Jahrhunderts die durch Ratio und Diversität definierte Demokratie beseitigt werden sollte, sind auch heute wieder die Antidemokraten aller Provenienz treibende Kräfte.

So werden auf den Coronademonstrationen die Rufe nach einem „Nürnberg 2.0“ laut, also einem Tag der Rache und Abrechnung mit der aktuellen Regierung, aber auch mit den Medien und der Wissenschaft. Dies analog zu oder gar gemeinsam mit den Preppergruppen, die Waffen und Munition horten und sich auf den Tag X vorbereiten.

Was Impfgegner im Deutschen Reich und in der Bundesrepublik gemeinsam haben

Impfgegnerschaft und Drittes Reich verband die sozialdarwinistische, ja tödliche, Abneigung gegen Wissenschaft und Moderne. Germanische Medizin oder Deutsche Physik waren Teilphänomene des gesamten völkischen Rassismus und Antisemitismus und alles zusammen war eine fürchterliche historische Sackgasse. Und das millionenfache Leid, das der Faschismus erzeugte, war unbeschreiblich.

Besorgt darf man daher durchaus sein, wenn man nicht nur die Kontinuität der Impfgegnerschaft und Wissenschaftsfeindlichkeit sieht, sondern auch das Wiederaufleben der ideologischen Basis: Von Beginn an waren die Coronaproteste von antisemitischen Verschwörungsideologien und provokanten Holocaustrelativierungen geprägt.

Etliche Morde und Attentate der vergangenen Jahre gingen auf das Konto von solchen Verschwörungsideologien, etwa in Hanau. Dieses mörderische Potenzial steckt in jeder Bewegung, zumeist indirekt. Denn es genügt, wenn friedlich bleibende Protestierende Andeutungen machen, Internetquellen teilen, Netzwerke schaffen. Irgendwann, irgendwo kann durch die dadurch erzeugte Stimmung jemand ausrasten und zur Tat schreiten.

Die notwendige Antwort der Gesellschaft

Aber auch ohne dieses denkbare Szenario sind die aktuellen Coronademonstrationen zu verurteilen. Denn zur gleichen Zeit kämpft das medizinische und Pflegepersonal um das Leben von Erkrankten. Operationen müssen abgesagt werden, weil die Kapazitäten fehlen. Personal erkrankt selbst oder ist zu erschöpft, um die Arbeit zu schaffen. Immer wieder müssen Ärzt:innen weltweit entscheiden, welche Patient:innen die knappen Ressourcen bekommen – und wer sterben muss. Die Lage in den Krankenhäusern ist katastrophal, der Tod so allgegenwärtig wie selten zuvor.

Die statistische Übersterblichkeit ist derzeit von historischem Ausmaß, insbesondere in Nord- und Südamerika sowie Osteuropa. Hinzu kommen zigtausende Menschen, die einen milderen Covid-19-Verlauf hatten, aber auf lange Frist mit schweren Folgen zu kämpfen haben. Long Covid und Post Covid sind noch wenig erforscht, aber die negativen Auswirkungen auf alle Lebensbereiche der Betroffenen sind sehr stark.

Und vor diesem Hintergrund finden sich auf den Straßen des Landes Protestierende zusammen, die oftmals grundlegendste Hygienemaßnahmen absichtlich ignorieren und damit selbst die Pandemie vorantreiben.

Und eine weitere Parallele scheint sich anzubahnen: der mRNA-Impfstoff hat unermessliches Potenzial bei der Bekämpfung von Krebs, Multipler Sklerose und anderen derzeit noch schwer und nicht heilbaren Erkrankungen. Der historische Widerstand gegen die Impfungen, der mit Wissenschaftsfeindlichkeit und Antisemitismus einherging, könnte sich nun wiederholen – als Sackgasse des Widerstands gegen die mRNA-Forschung. Auch hier muss es heißen, aus der Geschichte zu lernen.

Natürlich gibt es bei politischen Entscheidungen immer auch mehr oder weniger gut fundierte Gründe, diese zu kritisieren. Aber die Impfung gegen SARS-CoV-2 reduziert erwiesenermaßen die schweren Krankheitsverläufe, entlastet mithin die Krankenhäuser und reduziert die Risiken, Schäden und Leiden. An diesem Fakt ändert das Aufkommen neuer Virusvarianten nicht viel, obgleich angepasste Impfstoffe ein dringendes Desiderat sind.

Und auch muss die Politik bei weitem mehr zur Bekämpfung des Virus tun, etwa durch die Ausstattung unserer Schulen und Kindergärten mit Luftreinigungsanlagen und -geräten. Kinder erkranken kaum an Covid-19, aber infizieren andere, auch Risikogruppen.

Impfungen senken nicht nur nachweislich das Risiko eines schweren Verlaufs, sondern verhindern auch verstärktes Auftreten von Long Covid und senken sogar die Ansteckbarkeit. Es ist angesichts der Situation in den Krankenhäusern daher unverantwortlich, dass die Impfquote noch immer so niedrig ist.

Ja, eine Impfung wirkt nicht dauerhaft und ja, das Virus wird uns womöglich noch viele Jahre einschränken. Aber jeder von uns kann eines Tages ein Fall für die Intensivstation werden, auch jüngere Menschen. Wenn in den Krankenhäusern jedoch Triage angewendet werden muss, ist auch die medizinische Versorgung für alle Menschen – ob geimpft oder ungeimpft – nicht mehr gesichert.

Je stärker sich das Virus ungehindert ausbreiten kann, weil die Impfquote zu niedrig ist und sich daher immer neue Mutanten entwickeln können, desto mehr wird die gesamte Infrastruktur des Landes belastet. Schließungen von Einrichtungen sind schwer zu ertragen und ökonomisch sehr ungünstig – aber sie sind zeitlich und branchengemäß kontrollierbar. Wenn aber die Menschen aufgrund von Erkrankungen branchenübergreifend und auch in zentralen, lebensnotwendigen Bereichen, krankheitsbedingt nicht mehr arbeiten können, dann lässt sich nichts mehr steuern.

Solidarität bedeutet unser aller Freiheit verteidigen

Wer sich also vergegenwärtigt, wer an den Coronaprotesten teilnimmt, welche gefährlichen Ideologien dort teilweise präsent sind, welche historische Linie besteht, welche Auswirkungen das Verweigern von Impf- und Hygienemaßnahmen hat, welche Verantwortungslosigkeit gegenüber dem Krankenhauspersonal und den von Covid-19 Betroffenen, somit gegenüber der gesamten Gesellschaft, dadurch gezielt erzeugt wird – kann sich nur in aller Deutlichkeit von diesen Demonstrationen distanzieren.

Auch wenn der eine oder die andere eine allgemeine Impfpflicht oder einzelne Impfstoffe und ihre Produktion kritisch sehen sollte, so muss doch klar sein: nur wenn wir solidarisch Verantwortung für alle Menschen übernehmen, wenn wir bei Fakten bleiben und der Wissenschaft vertrauen, wenn wir zu Demokratie und Rechtsstaat stehen, nur dann lässt sich die Krise bestehen, lassen sich die Risiken und Schäden minimieren, können wir alle gemeinsam die Zeit nach Corona neu gestalten – krisenfester, solidarischer, ethischer und gerechter.

Und auf diese Weise wird unser aller Freiheit aufrechterhalten und verteidigt.

Wer an Covid-19 erkrankt, verlässt sich auf das Krankenhauspersonal und die Wissenschaftler:innen. Denn das eigene Leben hängt daran. Hören wir also auch auf die medizinisch Ausgebildeten und die Wissenschaften, was sie zu sagen haben, wenn es nicht um einen selbst geht, sondern um das Leben und die Gesundheit Aller!

Endlich rauchfrei!

Neuseeland will als erstes Land der Welt das Rauchen abschaffen. Aber nicht von heute auf morgen, sondern erst einmal wird das Rauchen von Zigaretten nur für unter 14-Jährige nicht mehr möglich. Und dann steigt jedes Jahr die Altersgrenze um genau ein Jahr an. So dürfen diejenigen, die derzeit rauchen, das auch alle ohne Probleme weiterhin tun. Aber kommende Generationen fangen nicht damit an.

Nikotinsucht soll somit gar nicht erst entstehen können. Die meisten Menschen entwickeln beim Rauchen unweigerlich eine Nikotinsucht, nur wenige Menschen sind genetisch davor gefeit. Und auch sonst gibt es viele Argumente gegen das Rauchen. So wird die Entlastung der gesellschaftlichen Krankenkosten genannt, aber auch die Umweltverschmutzung (Grundwasser und Gewässer bspw.) durch Zigarettenreste, unter denen auch sehr viele Tiere leiden, die die giftigen Stummel direkt und indirekt aufnehmen.

Besonders arme Menschen leiden sehr unter den Kosten ihrer Nikotinsucht und es gibt massive Gesundheitsgefahren für sämtliche Aktiv- und Passivraucher:innen. Zudem ist die Herstellung von Tabak sehr oft mit Menschenrechtsverstößen verbunden.

Aber es gibt auch Kritiker:innen solcher Verbote, denn letztlich wird die Freiheit von Menschen eingeschränkt. Ein Staat, der seinen Bürger:innen mit Verboten statt Aufklärung begegnet, stößt auf Skepsis und Widerstand. Denn wird einmal damit angefangen, kann es schnell auch andere Produkte und Dienstleistungen treffen, für die es Gegnerschaft und kritische Aspekte gibt.

Spirale des Tötens: Warum die Jagd zur Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest beiträgt

Die sogenannte „Schweinekrise“ erreicht wegen der schnellen Ausbreitung der Afrikanischen Schweinepest damit ein neues Eskalationsniveau. Seit dem erneuten Ausbruch der „ASP“ im September 2020 wurden insgesamt 2.869 Fälle in Deutschland bestätigt. Größtenteils sind Wildschweine betroffen, doch nach den ersten Fällen von ASP an Hausschweinen aus Klein- und Biohaltungen, folgte erwartungsgemäß dann auch Mitte November der erste ASP-Fall in einem Schweine-Mastbetrieb.

Die Folge davon waren 4.000 getötete Tiere, denn beim Ausbruch schreiben die Maßnahmen zur Eindämmung der Tierseuche vor, dass alle Tiere des betroffenen Betriebs vorsorglich getötet werden müssen.

Der Wirtschaftssektor „Schweineproduktion“ scheint an seinem Ende angekommen – doch wie reagiert die Regierung?

Der pandemiebedingte Preisverfall von Schweinefleisch am Exportmarkt und die Vermarktungsprobleme aufgrund der ASP, die sich im Vormarsch zu befinden scheint, sind höchst tierschutzrelevant! Hinzu kommt, dass zumindest in den betroffenen Sperrzonen die jeweiligen Schweinehalter:innen ihre gemästeten Tiere nicht oder nur bedingt zum Schlachthaus bringen können, was deren Bestände beinahe platzen lassen dürfte. Die Ampelkoalition muss jetzt handeln und die längst notwendige Ausstiegsprämie für Schweinehalter:innen freigeben, anstatt Landwirt:innen weiter mit sinnlosen Überbrückungshilfen abzuspeisen.

JETZT ist der Zeitpunkt, um das Ende der Schweineproduktion einzuleiten – die Ampelkoalition muss handeln!

Die Afrikanische Schweinepest hat eine sehr starke Ausbreitungstendenz (350 km/a). Nun werden die Wildschweine als Verursacher des Problems mit der ASP genannt, zum Sündenbock gemacht und reihenweise abgeschossen. Dabei ist Einschleppung und Übertragung der ASP durch Wildschweine über Grenzen hinweg eher gering.

Eine viel größere Rolle bei der Verbreitung der ASP spielt die indirekte Ansteckung durch den Menschen, beispielsweise durch mitgebrachte Fleischerzeugnisse aus dem Ausland, kontaminierte Transportfahrzeuge und natürlich die Großhaltung von Schweinen, denn unter tausenden, eng aneinander eingepferchten Tieren breiten sich Erreger logischerweise praktisch im Handumdrehen aus.

Wussten Sie, dass der Schweinehalter, dessen Tiere sich mit der ASP infizierten und wegen dem alle 4.000 Schweine des Betriebs getötet werden mussten, zuvor in Niedersachsen auf einer Jagd war und die ASP vermutlich selbst in seinen Betrieb eingeschleppt hat?

Dieser Skandal zeigt, wie inkonsequent die Jägerschaft die Hygienemaßnahmen einhält, sofern sie gleichzeitig Schweinehalter:innen sind und überhaupt: Es scheint als wäre Jäger:innen dieses Thema wohl nicht sensibel genug. Es gibt nämlich klare Verhaltensregelungen in Seuchenfällen an die sich jede:r Jäger:in ausnahmslos halten muss.

Dieser konkrete Fall hätte verhindert werden können, wäre sich der Jäger der gleichzeitig auch Schweinehalter ist, seiner Verantwortung bewusst gewesen.

Also: Jagd einstellen, anstatt die Jagd auf Wildschweine zu verstärkten!