Des Kreisjägers Hohn

Meine Woche war mal wieder so voller widersprücherlicher Ereignisse: Das Europaparlament stimmte heute mit großer Mehrheit für den „Klimanotstand“ und will dafür (hoffentlich wirklich bald!) sogar die klima- und steuergeldschädliche Pendelei Brüssel-Straßburg aufgeben. Der Beschlusstext wurde von einem ungewöhnlichen Arbeitsbündnis aus Sozialdemokraten, Liberalen und Linken erarbeitet und von den Grünen mitgetragen. Ja, sogar fast die Hälfte der christdemokratischen Fraktion war dafür – müssen wohl im Gegensatz zur hiesigen CDU Menschen sein, die tatsächlich die Schöpfung bewahren wollen und nicht einfach aus Trotz gegen alles stimmen, was von der linken Seite des Parlaments kommt, sondern auch mal wirklich in sich gehen, bevor sie abstimmen. Danke dafür. Und nun an die Arbeit, Kommission, Rat und Regierungen der Mitgliedsländer!

Am Montag im Kreistag Vorpommern-Greifswald hingegen war ein schwarzblaugelber Block stur gegen jede Bemühungen um eine kommunale Energiewende. Weder darf die Flotte der Kreisverwaltung umwelt- und klimafreundlich umgerüstet werden, noch gab es Verständnis für den Windkraftausbau. Stattdessen: höhnisches Gelächter darüber, dass MitarbeiterInnen der Kreisverwaltung dann ja künftig mit dem Lastenrad von Greifswald nach Pasewalk radeln müssten sowie der Beschluss eines vorläufigen Baustopps für neue Windräder. Nun merkt man auch, wie ernst es CDU und AfD am Anfang der Legislatur damit meinten, als sie den Umweltausschuss nicht in Umwelt- und Klimaausschuss umbenennen wollten. Dort wiederum muss man es ertragen, dass ein AfDler die Ausschussmitglieder darüber belehren will, dass es den menschengemachten Klimawandel gar nicht gebe, weil CO2 völlig ungefährlich sei. Beweis sei seiner Ansicht nach, dass es ja schließlich auch in seiner Mineralwasserflasche drin sei. Mit einem süffisanten Grinsen und dem Irrglauben, es den Ökos mal so richtig damit gezeigt zu haben, genoss er das darauf folgende Schweigen im Ausschuss. Denn auf so viel peinlichen Unfug konnte einfach niemand pädagogisch wertvoll reagieren in dem Moment. Aussichtslos.

Was mich ebenfalls erschreckt und anwidert war die Einigkeit der Kreistagsmitglieder, den Jägern im Kreis ein größeres Fahrzeug zu kaufen. Offizielle Begründung: Die afrikanische Schweinepest. Dafür wurden bereits zigtausende unschuldige Wildschweine abgeknallt. Sogar in Hetzjagden, bei denen bis zu 70 % der Tiere nur angeschossen werden, also mit zerschossenen Gesichtern und raushängenden Gedärmen teilweise über Stunden hinweg qualvoll sterben müssen. Dabei verbreiten diese Tiere gar nicht die Schweinepest, sondern die Menschen. Unter anderem, weil die Jäger die Sozialstrukturen der Rotten zerstören, sie mit der Bejagung aus ihren Revieren in andere Regionen vertreiben und mitunter infizierte Teile selbst weiter transportieren. Oft sind Jäger zugleich Landwirte und können dann ungewollt den Erreger von Wild- zu Hausschweinen direkt übertragen. Am häufigsten aber wird die afrikanische Schweinepest durch Pkw- und Lkw-Fahrer verbreitet. Denn bereits eine infizierte Wurststulle, die man achtlos an den Straßenrand wirft, reicht aus!

Aber was wird getan gegen diese – für Menschen übrigens völlig ungefährliche – Tierseuche? Es werden die Tiere bestraft. Die Schweine in der Massentierhaltung werden sofort restlos getötet, wird ein ASP-Fall festgestellt. Die Wildschweine werden sogar präventiv getötet – natürlich nicht sofort und restlos, sondern halt so viel, wie die Jäger grad wollen und können. Und das sind zwar rekordhafte 900.000 pro Jahr, aber der Bestand reduziert sich dennoch kaum. Das Risiko der ASP-Ausbreitung soll durch die Jagd minimiert werden – Wildtiere haben jedoch biologische Korrekturmechanismen, so dass die Vermehrungsrate durch den Abschuss steigt und das Leiden sich leider dadurch verstärkt – die Jagd selbst kann aber ein Ausbreitungsrisiko darstellen.

Das einzige, was gegen Tierseuchen wirklich helfen könnte, wäre eine Beendigung des massenhaften Konsums von viel zu billigen Fleisch- und Wurstwaren. Denn sie tragen zur Verbreitung der ASP bei und tierliche Produkte generell sind wegen des monokulturellen Tierfutteranbaus zudem verantwortlich für den Anstieg der Wildschweinpopulation und den Rückgang der anderen Wildtierarten. Und da sind wir wieder bei den widersprüchlichen Ereignissen dieser Woche. Während es in Brüssel Protest von Abgeordneten gegen zu wenig vegane Angebote in der Parlamentskantine gibt, gab es auf der Sitzung des vorpommerschen Kreistags lediglich Bockwurst zu Kartoffelsalat mit Mayonnaise.

Man stimmte also für ein größeres Jägerauto sowie gegen Klimaschutz und aß währenddessen klimaschädliche Wurst und fördert die Massentierhaltung, die zur Ausbreitung gefährlicher Tierseuchen beiträgt. Als müsste man die Opfer von Schweinepest und industrieller Tierquälerei auch nochmal symbolisch-zeremoniell zur Strecke bringen. Schießerei im Kreistagssaal ist ja nicht erlaubt. Obwohl – der einzige Bundestagsabgeordnete, der zugleich Mitglied des Kreistags ist, verließ die letzte Sitzung vorzeitig mit den Worten, er müsse Prioritäten setzen und fahre daher lieber zu seiner Jagdscheinausbildung.

Ein anderes konservatives Kreistagsmitglied sagte in einer Rede an diesem Montag so schön, dass er mit seinen Kindern gern darüber spricht, was er als Politiker alles für ihre Zukunft entscheidet. Ich vermute, im SUV und mit Bockwurst im Mund.