Nie war der Einsatz für Tierrechte und gegen Rechte wichtiger als heute

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Was sind das für Zeiten! Während die Debatte zu Klimaschutz und Veganismus weltweit an Fahrt aufnimmt, Hollywood-Stars ihre Oscar-Dankesreden der Tierrechtsbewegung widmen, Arnold Schwarzenegger in Filmen über die Tierqualindustrie mitwirkt und mit der vegan lebenden Greta Thunberg Radausflüge unternimmt, geht es in Deutschland um die moralische Bankrotterklärung von Neoliberalen und Wertunionisten, die nach dem gründlichen Bonitätscheck durch (den ebenfalls vegan lebenden) Rezo jetzt sämtliche Glaubwürdigkeit verspielt haben.

Wer mit Faschisten kooperiert und das auch noch mittels einer Gleichsetzung von Höcke und Ramelow rechtfertigen will, darf in unserem Land keine politische Verantwortung übernehmen. Eine von Höcke geforderte „erinnungspolitische 180-Grad-Wende“ darf nicht einmal ansatzweise Fuß fassen und es darf zu keinem neuen „Vogelschiss“ mit Shoa und Rassenkrieg führen, niemals!

Um hingegen Frieden und Wohlstand für unsere Kinder und Enkel zu gewährleisten, wurde die Europäische Union gegründet. Damit dieses Versprechen auch künftig eingehalten werden kann, hatte ich mich als Kandidat für das Europaparlament beworben – denn unsere Zukunft geht nur mit einer vernünftigen Agrarwende, die Artensterben, Klimawandel, Tierqual und Naturzerstörung aufhält. Obwohl die meisten Stimmen auf dem Nominierungsparteitag auf mich entfielen, kandidierte ich dennoch bewusst auf dem zweiten Platz, als Zeichen dafür, dass die Zeit reif ist für mindestens zwei Sitze unserer Partei in Brüssel.

Nur sehr knapp verpassten wir dann doch diesen zweiten Sitz. Was keiner von uns wusste bis eine Lokalzeitung in Niedersachsen es ein halbes Jahr nach dem Nominierungsparteitag aufdeckte: Der Kandidat auf Platz 1 war Anfang der 90er Jahre in der NPD aktiv.

Unsere jahrelange Arbeit gegen Rechts erschien manchen plötzlich als Luftnummer. Absurderweise verpassten wir unseren zweiten Sitz auch deshalb, weil wir die Rechten in unserer Partei weitestgehend erfolgreich heraus drängten, so dass diese mit ihrer eigenen Liste zur EU-Wahl antraten und uns genau die nötigen Stimmen weg nahmen. Wenn das der Preis dafür ist, dass wir uns als Partei aktiv von rassistischem und faschistischem Gedankengut abgrenzen – gerne doch, das ist es uns wert! Dann arbeiten wir eben einfach doppelt so fleißig in Brüssel!, war unser Motto. Aber unser ehemaliger Rechter leugnete seine Vita mehrfach so massiv, dass er die Fraktion verlassen musste, Ausschusssitze und Mitarbeiter (u. a. mich) verlor und daher womöglich kaum noch wirkungsvolle Tierschutzpolitik machen kann. Die zutiefst konservative Tierqualindustrie freut’s. Die Rechten von damals und die Rechten von heute – sie haben also leider einen Etappensieg errungen.

Der ganze Einsatz gegen Rechts, den ich innerhalb meiner Partei und in meiner Stadt Greifswald jahrelang ehrgeizig betrieb, mündete mit der Causa Buschmann und dem entsprechenden Medienecho in ein Gefühl des Versagens. Und der dringend nötige Tierschutz ist gleich mit ins Verderben gestürzt worden. So sieht die traurige Bilanz aus, da gibt es nichts zu beschönigen. Nun könnte unser Kandidat Nr. 1 ja einfach Verantwortung für sein Handeln und die Folgen der Fraktionslosigkeit übernehmen und das tun, was man jahrelang von anderen forderte: zurücktreten, wenn man einen folgenschweren Fehler gemacht hat, und das Mandat an die Partei wieder geben, um den Schaden für die internationale Tierschutzbewegung so klein wie möglich zu halten. Tut er aber nicht. Er möchte nämlich beweisen, dass er doch kein übler Rechter ist, sondern wirklich nur aus Scham über seine Vergangenheit schwieg. Ich denke, die Befürchtung, dass er in Wahrheit doch ein Rechter immer noch sei und lediglich Oskar-reif allen was vormachte, hat kaum jemand. Viel eher könnte vielleicht einige verwundern, dass er zuweilen eine unübliche außenpolitische Haltung vertritt, die für ihn ganz besonders links ist.

Aber wenn er nun doch zurücktreten sollte, aus gesundheitlichen oder anderen Gründen, soll die Vita von mir als potenzieller Nachrücker umfassend transparent gemacht werden – ganz prinzipiell, aber auch anlässlich wegen der Verbandelungen am Greifswalder Karl-Marx-Platz. Dorthin zog ich vor rund 20 Jahren mit T. Kurschus in eine Wohnung. Kurz zuvor war ich noch für die damalige PDS aktiv (ohne Mitglied zu sein) und beim Flyerverteilen im Wahlkampf 1999 lernte ich T. Kurschus kennen; wir diskutierten eifrig über Gysi und Gerechtigkeit. Wenig später, mit Beginn meines Studiums lernte ich dann die lokalen Liberalen kennen. Das weltoffene Flair, das Bildungsbürgerliche, die Idee, dass grenzenloser Handel und stetiger Wandel für Frieden und Freiheit sorgen, faszinierten mich. Die PDS war damals nicht die progressive Linkspartei von heute, sondern der Versuch, die antiwestliche SED-Dogmatik mit dem antiwestlichen BRD-Antiestablishment zu vereinen. Das, was viele Jahre später als AfD-Proputin-Querfront erkennbar werden sollte. Da fiel mir die Entscheidung gar nicht mal so schwer: lieber liberal.

Nachdem mein FDP-Mitgliedsantrag zunächst wegen der Vermutung, ich hätte mir einen Scherz erlaubt, quasi abgelehnt wurde, drängte ich darauf, dass der Antrag ernst genommen wird. Einige Jahre FDP, Junge Liberale, Wirtschaftsratsjuniorenkreis, liberale Hochschulgruppe folgten. Aber die Studienzeit besteht ja nicht nur aus Partys und Stammtisch. Sondern auch aus Seminaren und Magisterarbeit und meinem unbändigen Wissensdrang, der zu einer Vertiefung in die liberale Ideengeschichte und die Praxis der Finanzmärkte führte, in klassische Ethik und Währungskrisen, Platon und Hedgefonds. Danach kann niemand mehr Wirtschaftsliberaler sein, das steht wohl fest. Nach Westerwelles spätrömischer Dekadenz und einer Landtagslegislatur, die mit weltoffenem Flair und Bildungsbürgertum so überhaupt nichts zu tun hatte, trat ich 2011 aus und schwor mir, niemals Politiker zu werden. Da war nämlich keine Faszination oder Neugier mehr, nur Enttäuschung und Banales. Und dem Schwur blieb ich bis heute treu, da ich eben auch gar kein (typischer) Politiker sein kann. Ich diskutiere lieber mit Menschen, sei es abends beim Radler in der Kneipe, sei es bei Unterschriftenaktionen auf der Straße, sei es auf Facebook. Aber nicht um Recht zu haben mache ich das, nein, sondern einfach um der Dynamik einer Diskussion willen. Wenn sich herausstellt, dass ich mich irrte oder ich Neues erfuhr, kam sie nämlich wieder: die Faszination für das Neue, das Fremde, das Andere. Und natürlich geht es mir immer auch um Ideale und das (platonische) Gute, das jeder Mensch in sich entdecken sollte. Mit Politik eigentlich unvereinbar und eine ausnahmslos gute Partei gibt es schon gleich gar nicht.

Aber: ein typischer Politiker wird man bei der Partei Mensch Umwelt Tierschutz ja nicht. Man unterstützt doch vielmehr eine Bewegung, ein Anliegen, eine Idee! Kurzum: 2013/14 fand ich als (damals noch nur) Vegetarier und Ethiker dann doch ein spannendes großes Projekt: wieder Parteimitglied!

Und mit dem gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck durch die Flüchtlingsdebatte 2015 setzte ich meinen bis dahin eher theoretisch geführten Kampf gegen Faschismus und Rassismus auch in die Praxis um: konkrete Aktionen gegen Rechts für ein Greifswald für Alle!

Aber diese Verknüpfung aus T. Kurschus, Diskussionsdrang und politischen Idealen; sie brachte auch wirklich Schräges zutage. Nicht nur diskutierte ich auch leidenschaftlich in Kurschus‘ Studentenverbindung – wo ich auch den früheren Bundesfinanzminister Hans Eichel traf und einen Vortrag über Finanzmärkte hielt- sondern traf sogar auf Kurschus‘ Bekannten Nikolaus Kramer! Das war 2016. Da inszenierte dieser sich als Kämpfer gegen Rechtsradikalismus. Und weil er versprach, gegen Flügelleute wie Petra Federau und die antisemitische FFDG (Greifswalds Provinzpegida) vorzugehen, gab ich ihm eine Unterstützerunterschrift für die Erststimme (mit dem Vermerk auf dem Formular, dass dies keine inhaltliche Befürwortung seiner Partei ist und übrigens ohne meine richtige Adresse, aber er reichte das Formular ohnehin nicht ein). Ob er mich eiskalt reinlegte oder seine Meinung änderte, weiß ich nicht – ein paar Wochen später jedenfalls trat er als Redner bei ebenjener Provinzpegida auf und heute wird er zuweilen sogar selbst als Sympathisant des Höcke-Flügels gezählt. Lektion damals gelernt: traue niemals Rechten, nicht privat und niemals, wirklich niemals politisch!

Und Torsten? Der führte seinen Kampf gegen AfD & Co. lieber bei den Republicans against Trump, neurechten Zeitungen wie Tichys Einblick und Solidarität mit kurdisch-jesidischer Agitation gegen den Islam. Ähm, bitte was nochmal? Ja, bestünde die AfD nicht aus Putin- und Trump-Fans sowie etlichen üblen Antisemiten, so würde er sich dort sicherlich wohl fühlen, schätze ich. Seine „nationalliberale“, wie er es selbst nennt, Vergangenheit aus der Wendezeit trat langsam wieder hervor und es gab entsetzliche Streitigkeiten (unsere armen Nachbarn!). Nichts ließ sich mehr vereinbaren, führte zu räumlicher Trennung und alles endete 2019 schließlich in ein Parteiausschlussverfahren gegen ihn.

Nun wurden die Details dieses Ausschlussverfahrens veröffentlicht und mein antirassistischer Einsatz all die Jahre erscheint wegen der Nähe zu Kurschus für manche vielleicht als schlechter Witz. Aber genauso wie meine Fasziniation für liberale Weltoffenheit und Freiheit vor 20 Jahren kein Witz war, so ist es mir heute ernst damit, dass wir eine Verpflichtung haben, gegen Rechtsoffenheit, gegen verallgemeinernde Hetze, gegen populistische Tricks und antidemokratische Gefahren vorzugehen. Meine politische Haltung war, ist und bleibt internationalistisch und den Menschenrechten verpflichtet. Und deshalb trennen sich mitunter auch die Wege von zuvorigen Mitstreitern.

Wer den Faschisten ideologisches Futter bietet und lediglich aus Standesdünkel oder Ekelgefühl die AfD meidet, ist nämlich kaum ein Deut besser als die Faschisten selbst. Und einige von T. Kurschus publizierten Texte führen bei mir wiederum zu gewissem Abscheu. Die Partei Mensch Umwelt Tierschutz wird ihm wohl auch kein Futtertrog mehr sein wollen. Wir stehen zu unserem Versprechen, eine demokratische, soziale, weltoffene Gesellschaft zu bewahren und mitzugestalten, in der Umwelt-, Klima-, Arten- und Tierschutz allerdings dringend wichtiger werden müssen. Die Linkspartei von heute ist dabei eine wichtige Partnerin, ebenso wie die Grünen und die SPD. Aber eben gemeinsam mit der Partei Mensch Umwelt Tierschutz. Dafür setzen sich unzählige Mitglieder bei uns seit Jahren unermüdlich ein. Ehrenamtlich, mit voller Leidenschaft, Ausdauer, nur getragen von ihrem unerschütterlichen Idealismus.

Ich habe meinen Job bei Martin Buschmann in Brüssel vor ein paar Tagen beendet, um Glaubwürdigkeit und das Ansehen der Partei zu bewahren und die notwendige politische Veranwortung als klares öffentliches Signal zu übernehmen. Die Entscheidung fiel unter der Abwägung, was in 5 oder 25 Jahren als der richtig beschrittene Weg angesehen wird. So, dass die große Idee der internationalen tierschutzpolitischen Bewegung trotz aller Schwierigkeiten als integer, moralisch verlässlich und politisch authentisch gilt und damit wirkmächtig sein kann. Daran orientiert sich mein Tun, bemessen sich meine Worte und all dies in der Absicht, niemals gegen Personen, die auch Fehler machen, sondern für wichtige Ziele zu handeln. Einzelne Fehler können zwar verzeihbar sein, künftige Fehlentwicklungen aufgrund von Egoismus oder kurzfristem Nutzenkalkül einfach auf uns zurollen zu lassen, jedoch nicht.